Freitag, 17. August 2012

blockwart, marke lillyfee


Guten Tag Herr Breitenstein,

wir erhalten Beschwerden über Ihr Nutzungsverhalten im Hause Hafenweg 28. Regelmäßig und auch über längere Zeit läuft in Ihrem Atelier laute Musik. Dies führt zu Belästigungen Dritter. Nebenbei wirft man Ihnen vor, dass Sie beschwerende Personen arg angegangen sind. Wir möchten Sie daher darauf hinweisen, dass die Nutzung der Mietsache Ihrerseits so zu erfolgen hat, dass Dritte nicht beeinträchtigt oder belästigt werden, also die Musiklautstärke entsprechend niedrig zu halten.

Freundliche Grüße

Martin W******



lieber herr w******
ich höre nicht übermässig laute musik, vor allem nicht ausserhalb der dafür vom gesetzgeber geregelten zeiten. da die musik ein integraler bestandteil meiner arbeit als künstler ist und es sich bei den atelierräumen ja definitionsgemäß um räume zu produktion von kunst handelt, sehe ich da eigentlich kein problem. ich finde aber interessant, dass sich irgendwelche denunzianten bei ihnen beschweren. ich bin übrigens niemanden angegangen, sondern habe nur darauf hingewiesen, das nicht nur das ertsellen von kalkulationen in grossraumbüro als arbeit zu definieren ist, sondern auch die produktion von kunst arbeit ist. warum soll kaptitalistische kulturindustrieproduktion der kunstproduktion übergeordnet sein? jedenfalls habe ich nachdem die entsprechenden damen vorstellig wurden, die lautstärke der musik reduziert.
ich hoffe ich konnten ihnen damit helfen
besten gruß
oliver breitenstein

Flower Power?

Ein, zwei kleine Bemerkungen zur Ausstellung "Dorris Green" von Gertrud Neuhaus und Uwe Ehrngruber in der DSt Galerie in, na wo wohl, Münster.

Zunächst mal haben wir hier ganz offensichtlich durch die Wahl des gemeinsamen äußerst trivialen Sujets (bloß keine Großkunst) eine Ironierierung vorliegen, etwa in der Tradition von Fischli Weiss oder Jaepas - beide ungefähr gleich wichtig in der Geschichte der Kunst.

Nach dem diese grundsätzliche Stoßrichtung klar ist, werfen wir doch noch mal einen zweiten Blick auf das Ganze. Was sehen wir da? Ehrngruber geht das ganze gekonnt "altmeisterlich" an, da ist jemand der wirklich malen kann, dem es um Malerei geht. In eher düsteren Farben umkreist er das ironische Motiv und gibt im durch die Form, einen durchaus nicht mehr als ironisch zu verstehenden - man verezeihe das Wort in diesem Zusammenhang- Anstrich. Man sieht hier Arbeiten von jemand, dem es Ernst ist mit der Malerei, der Kunst, dem Leben, der mit sich dem Leben ringt. Finden wir gut, denn das macht die Arbeiten authentisch und geht weg von einem Ironiebegriff der jegliche ehrliche Stellungnahme und Empathie aufgrund einer coolen Distanz aufgibt. Hier haben wir mal endlich jemanden, der sich nicht scheut die Hosen runterzulassen. Finden wir gut.

Im Gegensatz dazu stehen die Arbeiten von Neuhaus, die von Hause ja keine Malerin ist und ihre Malerei nur eingebettet in Installationen benutzt - eben nicht als autonomes Kunstwerk, sondern als Teil der Gesamtarbeit. Hier zeigt sie nun eben in sich abgeschlossene Bilder, die als komplementäre Ergänzung zur klassischen Malerei Ehrngrubers eher trashig wirken. Locker gemalte Bilder auf nicht immer grade geschnittenen Zetteln. Hier is nix zu sehen von der Düsternis, sie wirken eher heiter und unbeschwert, eben mit einer grundsätzlich ironischen Note, die die Kunst und sich selbst nicht allzu Ernst nimmt. Doch dies wird sehr geschickt gebrochen, dadurch, dass die Arbeiten in fetten, dunklen Holzrahmen hinter Glas stecken. Da macht sich der Blick und die Handschrift der Installationskünstlerin bemerkbar. Durch diese Lösung schreien die Arbeiten plötzlich: "Nimm mich ernst. Ich bin Kunst."  und schaffen eine Verbindung zu den Arbeiten ihres Kollegen. Nun, durch diese geschickte Verdoppelung der "authentisch-ironischen" Grundhaltung erreichen die Malereien eine Levelup an der sogenannten "Qualität", das nicht gegeben waere, wenn Sie einfach mit Nägeln an die Wand gehängt worden wären.

Aber mals schnell selber gucken gehen, noch bis zum 25.08. in der DST Galerie.



Mittwoch, 15. August 2012

mary go round

Die Sonne schien heiß vom Himmel und, weil sie keine Wahl hatte, auf nix neues - oder doch? Jedenfalls hatte ich beschlossen mich aufgrund von Empfehlungen mal vorsichtig aus dem Bunker - und Facebook - zu wagen, in dem ich mein Büro betrieb und mir die Ausstellung "Maryland" von Maria Gerdwilker  in der Galerie FB 69 anzuschauen.

Also schwang ich mich auf mein vollgefedertes Poser Moutainbike und radelte mit einer Fluppe im Mundwinkel Richtung Ausstellung.

Ok, hier ein paar Gedankenfragmente dazu. Erfreulicherweise handelte bei der Ausstellung nicht um jeffkoonsartige Hochglanzplastikkunst, sondern einer im Sinne des romatinschen Ironiebegriffes den eigenen Produktionprozess offenlegenden Kunst. Durch die ausdrückliche Zurschaustellung der eigenen nicht perfekten Handwerklichkeit, in Form von Handarbeit, Bricollage oder eben nichtindustrieller Fertigung, wird das eigene Gemachtsein der Objekte zum Inhalt und nähert sich damit einem Thema an, dass zu Zeit - auch angestossen durch das Web 2.0 - in aller Munde ist: DIY - oder um mal die Akronymwut ein wenig einzudämmen: Do It Yourself. Damit landen wir dann auch blitzschnell bei einer "Ästhetik der (vermeitlichen) Authenzität" die sich eben dadurch hervortut, dass sie auch mal nicht perfekt nach Stereotyp oder vorgefertigter Gussform funktioniert.Gerade in den vermeitlichen  Mängeln zeigt sich die grosse Stärke dieser Art von Arbeit, das Selbermachen. Das einfach Machen, egal ob es hinterher einer Deutschen Industrie Norm der Kunst genügt oder nicht. In einer Gesellschaft wie der unseren, in der alles immer glänzender, die Fotos immer als Leuchtkasten oder Aludibond daher kommen, immer magersüchtigere Modells immer barbiemäßiger von Plakten lächeln, CGI perfekte Illusionen von Welten in Filmen entsethen läßt, scheint dies unsere Sehnsucht nach dem Ursprünglichen zu befriedigen. Weg von virtuellen Weiten des durchwebdisgnten Internets hin zum unperfekten Individuum, mit allen Fehlern und Schwächen die dazugehören.

 Hier könnte man sich nun die Frage stellen, ob man das nicht im Zuge von Ganzschlaukonstrukten wie den Genderstudies oder Postfeminismus als weibliches Emanzipationspotenial begreifen kann, da ja gemeinhin(schon naturbedingt) das Eier-in-der-Hose-haben, das heißt zu der eigenen Endlichkeit und Begrenztheit stehen, als genuin männliche Eigenschaft gelesen wird.

Aber hier lassen wir gerne mal eine Leerstelle zum selber reindenken.

Was mich an den Arbeiten von Gerdwilker beschäftigt, ist diese "Ästhetik der Authenzität" der sich zum allergrößten Teil sowohl in den räumlichen Objekten (die oft mit Fundmaterialien arbeiten), wie in den wahrlich nicht altmeisterlich gemalten Bildern finden läßt oder wenn die Teile einer Skulptur auch mal einfach per Schraubzwinge zusammengehalten werden.

Verstärkt wird diese Tendenz noch durch persönliche Bennenungen der Arbeiten, die sich dadurch auch noch einer psychologiesierenden Lesart quasi an den Hals werfen, denn wem würden bei einem Portrait der Künstlerin  als Achterbahn nicht sofort einige  wilde Assoziationen durch dem Kopf gehen? Schließlich sind wir ja alle geschult in der Kunst des Hobbypsychonalytikers, den wir von den Supermarktkassen her gut kennen, von daher überlassen wir jetzt mal jedem an dieser Stelle seine eigenen Versuche in der Traumdeutung. Interessanter ist eben auch die Herstellung einer quasi authentisch-persönlichen Ebene, einer "Authentizität zweiten Grades" die unsere Sehnsucht spiegelt raus zu kommen aus dieser rationalen, kalten, leeren Welt in der wir, in der eigenen Anhedonie gefangenen, uns nach etwas wie Empathie sehnen.

Daher scheint die Sonne zwar auf nix neues, aber es lohnt sich trotzdem, sich damit zu beschäftigen.

PS: Wir verzeihen hier an dieser Stelle mal, dass die Spaxscharuben nicht 3 cm rausschauen, wie bei Sebastian Walther, der ist halt doch nen Typ und nicht zu vergessen im Zuge des universellen Dilettantismus: auch, dass sie akademisch verdorben ist. ;-)

Maria Gerdwilker - Marland noch bis zum 25.08. in der Galerie FB69 Münster.


Montag, 13. August 2012

das richtige tun: i would prefer not to

das richtige tun: i would prefer not to

können wir das richtige in einer welt tun, in der alles – explizit auch die kunst und das leben selbst – auf seine warenhaftigkeit reduziert wird, alles ware ist, die unsichtbare hand des marktes alles über angebot und nachfrage reguliert?
durch die notwendigkeit unseren lebensunterhalt zu bestreiten, werden wir gezwungen in unserem  persönlichen hamsterrad der kapitalgewinnung immer weiterzulaufen. konsum macht spaß, aber konsum, wie das wort schon sagt, verbraucht: zeit, menschen, energie, beziehungen, aufmerksamkeit, denken, ressourcen, leben. da bleibt nichts mehr für das richige.
die sich wohlanfühlende LOHAS mentalität ist nichts weiter als eine egoapp. die einzig konsequente haltung wäre das „ich würde lieber nicht“ von bartleby. er bezahlt diese veweigerung mit dem tod. deshalb bleibt nur der satz: „von der unmöglichkeit nein zu sagen, ohne sich umzubringen“. was zu tun ist, ist nichts. denn der nichtstuer oder taugenichts verweigert es zumindest, sich in form von arbeit in den warenzyklus des kapitalis- mus einzuspeisen.
letztendlich scheitert auch diese verweigerungshaltung. schon der alte theo wußte: „es gibt kein richtiges leben im falschen.“

Für das Projekt:  "Das Richtige tun"  von Michael Pohl